Ableitungen aus den Evaluationsergebnissen

8. Wie gut wird das eigenverantwortliche Selbststudium unterstützt und begleitet?

c) inhaltliche und zeitliche Ausgestaltung (Verlaufsmodelle)
Die Verlaufsmodelle bieten eine Orientierungshilfe, einen kurzen Überblick für eine mögliche Ausgestaltung des Selbststudiums und der Verflechtung mit dem Kontaktstudium. „Es handelt sich um praxisbewährte Ansätze, die meist in der Praxis selbst entwickelt wurden, aus dem Versuch, Wege zu finden, um im Rahmen des Hochschulunterrichts dem selbstständigen, eigenaktiven Lernen einen höheren Stellenwert einzuräumen“ (Landwehr & Müller, 2008).

mögliche Ansätze zur inhaltlichen und zeitlichen Ausgestaltung (Verlaufsmodelle)

Den Studierenden werden Aufgaben gestellt, die in selbstständiger Arbeit außerhalb des Präsenzunterrichts (als „Hausaufgaben“) zu lösen sind. Die Aufgaben stehen meist in einem engen Bezug zum Stoff, der im Kontaktunterricht vermittelt wird. In diesem Sinne sind sie in das herkömmliche Unterrichtsarrangement „integriert“. Die geforderten Selbstlernaktivitäten haben für den Präsenzunterricht eine „zudienende“ Funktion, im Sinne von Vorbereitung, von Verarbeitung/Nachbearbeitung oder von Transferunterstützung.

Ziele 
  • Unterstützung der Wissenskonstruktion: Integrierte Lernaufgaben können eine wirksame Verbindung zwischen den präsentierten Wissensinhalten und den inneren (subjektiven) Sinnstrukturen schaffen.
  • Entlastung der Lehrveranstaltung: Durch die Auslagerung der eigenaktiven Arbeitsphase aus der Präsenzphase entsteht mehr Raum für Präsentationen bzw. für dozierendengesteuerte Aktivitäten.
  • Individualisierung: Mit Hilfe der „ausgelagerten Lernaufgaben“ können individuell unterschiedliche Arbeitstempi innerhalb der Kursgruppe aufgefangen werden.
Ablauf 
  1. Vorbereitung des Lernauftrags: Geeignete Lernaufgaben werden von den Dozierenden ausgesucht bzw. ausformuliert.
  2. Vorstellen und Erläutern des Lernauftrags: Die Studierenden werden in den Lernauftrag eingeführt.
  3. Selbstständige Arbeitsphase: Die Studierenden bearbeiten den Lernauftrag selbstständig.
  4. Die Ergebnisse besprechen: Die Studierenden erhalten Rückmeldungen zu den Arbeitsergebnissen.
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Die selbstständige Arbeitszeit der Studierenden muss im Studienplan angemessen berücksichtig werden – mit Blick auf eine erträgliche Gesamtbelastung. Es braucht eine Koordination unter den Dozierenden, um eine Überfülle von unverbundenen Lernaufgaben zu vermeiden.
 
Rolle der Dozierenden 
  • Die Prozesssteuerung bleibt im Wesentlichen bei den Dozierenden.
 
Rolle der Studierenden 
  • Die Rolle der Studierenden erfährt eine eingeschränkte Erweiterung der Selbststeuerung und Eigenverantwortlichkeit: Die Lernenden müssen die frei verfügbare Zeit so einteilen, dass die geforderten Aufgaben rechtzeitig ausgeführt werden.
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Funktionalisierung des Selbststudiums: Integrierte Lernaufgaben sind ein Hilfsinstrument für die Funktionsfähigkeit des Kontaktstudiums. Die Idee des selbstgesteuerten Lernens droht durch diese didaktische Funktionalisierung zugunsten der dozierendengesteuerten Lehre verloren zu gehen.
  • Verschulungstendenz: Mit Lernaufträgen vollgepackte Selbststudiumszeit wird von den Studierenden als fremdbestimmte Lernzeit erlebt: Integrierte Lernaufgaben führen in diesem Sinne bestenfalls zu Selbstständigkeit bei der Aufgabenerledigung, nicht aber zu einer wirklichen Selbststeuerung des Lernens.
  • Erledigungsmentalität: Die Studierenden erhalten in den verschiedenen Modulen eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufgaben, die unter sich keinen inneren Zusammenhang haben. Es besteht die Gefahr, dass sich eine oberflächliche Erledigungsmentalität verbreitet.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

Den Studierenden wird ein Skript abgegeben, das alle wesentlichen (insbesondere alle prüfungsrelevanten) Sachinformationen enthält und die mündliche Präsentation des Stoffes durch den Dozenten/die Dozentin ersetzen soll. Das Skript bildet die Grundlage für die selbstständige Aneignung des Sachwissens. Die Studierenden lernen zunächst allein anhand des ausgehändigten Lerntextes und versuchen, Nichtverstandenes im Team (ca. 6 Studierende) zu klären; anschließend besprechen die Teams mit den Dozierenden die verbleibenden Fragen („Restklärung“).

Ziele 
  • Effiziente Nutzung der Dozierendenpräsenz und der Kursgruppenpräsenz: Durch die Auslagerung der Stoffpräsentation in den Selbststudienbereich können sich die Dozierenden auf lernprozessunterstützende Funktionen konzentrieren. Die Anwesenheit der Kursgruppe wird – statt für die Informationsaufnahme – für das gemeinsame, interaktive Lernen genutzt.
  • Eigenaktive Erschließung von Wissen und Erwerb von Selbstlernkompetenzen: Die Wissenserschließung über schriftliche Informationsunterlagen, wie sie im Berufsleben zunehmend wichtig ist, wird eingeübt.
  • Aufbau von Lernkompetenzen und Teamfähigkeit: Interaktive Kompetenzen werden gefördert, so z. B.: sich gegenseitig im Lernen unterstützen, sich für andere verständlich artikulieren, Klärungsprozesse und Problemlöseprozesse gemeinsam angehen.
 
Ablauf 
  1. Vorbereitung: Skript als Grundlage für die eigenaktive Informationsaneignung und -verarbeitung erstellen.
  2. Kick-off-Veranstaltung: Einführung der Studierenden in das Thema, in die Arbeitsform, in den zeitlich-organisatorischen Rahmen.
  3. Selbstständige Auseinandersetzung mit dem Skript: individuelle Arbeitsphase, umfasst u. U. auch die Bearbeitung von Lernaufgaben.
  4. Lernen im Team: Klärung des Stoffes und der offenen Fragen in der Gruppe, Vorbereitung der Fragen für das Lernteamcoaching.
  5. Lernteamcoaching durch den Dozierenden: Klärung der Fragen, die im Team aufgetaucht sind („Restklärung“), Besprechung des Prozesses.
  6. Abschließende Plenumsveranstaltung: vertiefende Ausführungen zu ausgewählten Fragen und Inhalten, gemeinsame Prozessreflexion.
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Das Verfassen eines Skriptes ist sehr aufwendig, es lohnt sich nur, wenn die betreffende Unterlage in mehreren Kursen/Kursgruppen verwendet werden kann. Es braucht Gruppenräume, in denen mehrere moderierte Gruppen parallel arbeiten können, oder der Plenumsraum muss groß genug sein, damit mehrere Gruppen darin arbeiten können, ohne sich zu stören.
 
Rolle der Dozierenden 
  • Die eigentliche Stoffvermittlung wird an das „Papier“ delegiert. Die Dozierenden werden zu „Klärungshelfern auf Verlangen“. Die „Restklärung“ und die Prozessklärung werden zu ihren eigentlichen interaktiven Schwerpunkttätigkeiten.
 
Rolle der Studierenden 
  • Die Verantwortlichkeit für den Verstehensprozess liegt in erster Linie bei den Studierenden: Sie müssen aktiv werden, um Unterstützung zu erhalten.
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Ungewissheit über das effektiv Gelernte: Durch die „Auslagerung“ der Stoffdarbietung/Wissensaufnahme aus dem Kontaktunterricht fehlen Signale des Verstehens und Nichtverstehens von Seiten der Studierenden. Folge: Es bleibt eine gewisse Unsicherheit, ob der Stoff wirklich verstanden wurde.
  • Unqualifizierte Steuerung des Lehr-Lern-Prozesses durch die Studierenden: Durch den hohen Selbststeuerungsanteil der Studierenden besteht die Gefahr, dass bei fehlenden Selbstlernkompetenzen größere Wissenslücken innerhalb des betreffenden Fachgebietes zurückbleiben.
  • Fehlende Kompetenz zur Prozessbegleitung: Es besteht die Gefahr, dass lediglich tradierte Lehrvorstellungen auf die neue Technik kopiert werden. Demgegenüber bleibt Potenzial der Methode zur Förderung des eigenverantwortlichen und teamorientierten Lernens ungenutzt.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

Der Lehr-Lern-Prozess wird in verschiedene Lernphasen aufgeteilt, in denen nicht nur unterschiedliche Lernformen, sondern auch verschiedenartige Gruppierungsformen berücksichtigt werden. Neben der üblichen Plenumsgruppierung (Unterricht mit der ganzen Kursgruppe) und dem individuellen Selbststudium werden auch Lerntandems, unbegleitete Lerngruppen oder begleitete Lerngruppen gezielt für den Lernprozess genutzt. Der Lehr-Lern-Prozess innerhalb eines Moduls wird in verschiedene Lernphasen aufgeteilt, in denen die unterschiedlichen Gruppierungsformen zur Anwendung kommen.

Ziele 
  • Kollegiale Unterstützung beim Lernen: Die verschiedenen lehrergänzenden Gruppierungen (Lerntandems, unbegleitete Lerngruppen oder begleitete Lerngruppen) bilden ein „Stütznetzwerk“, das den Gruppenmitgliedern im Bedarfsfalle gegenseitige Unterstützung (social support) im Lernprozess zukommen lässt.
  • Erleichterung des Theorie-Praxis-Transfers: Die Social-Support-Funktion von Lerngruppen erhält vor allem im Bereich des transferorientierten Lernens (Übertragung des Gelernten auf berufliche Situationen) eine tragende Bedeutung: Das „Stütznetzwerk“ soll insbesondere den Schritt vom Wissen zum Handeln unterstützen und erleichtern.
  • Verhaltenswirksamkeit durch Modelllernen: Ein Netzwerk von Personen mit gleichen Zielen/gleicher Problemlage/Kompetenzen auf gleicher Stufe ist grundsätzlich ein sehr wirksames Lernarrangement zur Aneignung von neuem Verhalten. Modelllernen ist möglich.
 
Ablauf 
  1. Präsenzphase (Plenum): dozierendengesteuerte Lehrveranstaltung (inkl. theoriebezogener Informations- und Verarbeitungssequenzen).
  2. Individuelle Studien- und Umsetzungsarbeiten: Bearbeitung von Studienaufträgen, die sich auf die Theorie oder auf die praktische Umsetzungsarbeit im Berufsfeld beziehen können.
  3. Selbstorganisierte Arbeit in Praxistandems: Besprechen der Individualaufträge, Erfahrungsaustausch, Bearbeitung von spezifischen Tandemaufträgen, gegenseitige Praxisbesuche.
  4. Selbstorganisierte Treffen in Kleingruppen: Erfahrungsaustausch, Bearbeitung von Gruppenaufträgen, Vertiefung von Kursinhalten.
  5. Begleitete Kleingruppentreffen: Bearbeitung von ungeklärten Schwierigkeiten der vorangegangenen Lernphasen mit Dozierendenpräsenz.
  6. Abschließende Präsenzphase: Arbeitsberichte, vertiefende Informations- und Verarbeitungssequenz.
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Es braucht Module, die einen relativ großen Zeitanteil umfassen (z. B. 1/2 Tag wöchentlich – nach Möglichkeit über zwei Semester) und in denen die berufsfeldbezogene Umsetzung einen hohen Stellenwert hat.
 
Rolle der Dozierenden 
  • Dozierende übernehmen eine Doppelrolle: als Fachexperten und -expertinnen in der Plenumsveranstaltung und als Supervisoren/Moderatorinnen in den begleiteten Gruppentreffen.
 
Rolle der Studierenden 
  • Die Studierenden werden nicht nur als Lernende angesprochen, sondern auch als „Ressourcenträger“, die auf kollegialer Ebene eine unterstützende Funktion/eine Expertenfunktion übernehmen sollen.
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Die Lerngruppen arbeiten nicht zielorientiert: Die Auseinandersetzung in den Tandems und unbegleiteten Gruppen kann oberflächlich bleiben. Die Gruppentreffen werden zu unergiebigen Plauderstunden.
  • Mangelnde Bereitschaft zu sozialem Austausch: Die Bereitschaft fehlt, die Gruppe als Ort der Lern- und Transferunterstützung in Anspruch zu nehmen, z. B. weil ausschließlich kognitive Auseinandersetzung mit einem Thema gesucht wird oder weil die Kommilitonen als Ressource nicht ernst genommen werden.
  • Zusammensetzung der Gruppe als Handicap: Ungünstige Gruppenkonstellationen können den Lernprozess erschweren.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

Leitprogramme sind schriftliche Lernanleitungen und Texte für das Selbststudium. Sie enthalten normalerweise Zielsetzung, Fachtexte zum Thema, Aufgabenstellungen und Lernkontrollen. Die Bearbeitung des Leitprogrammes erfolgt in selbstständiger Arbeit. In der Regel wird die Bearbeitung mit einem Test abgeschlossen. Ein Leitprogramm kann sich auf kürzere Lernsequenzen innerhalb eines Moduls beschränken (z. B. zwei Lektionen) oder den Stoff eines ganzen Moduls umfassen. Umfangreichere Leitprogramme sind in der Regel in Kapitel gegliedert, die in sich geschlossene Lernsequenzen bilden.

Ziele 
  • Praxisnahe Umsetzung des Mastery Learning: Das Konzept basiert auf der Idee des „Mastery Learning“, wonach ein Lernschritt erst dann in Angriff genommen wird, wenn der vorangegangene (vorgelagerte) Lernschritt erfolgreich abschlossen worden ist.
  • Klarer didaktischer Aufbau zur Sicherung des Lernerfolgs: Durch die klare Gliederung in eine Folge von Lernschritten entsteht – bei den Lehrenden und Lernenden – die Sicherheit, dass ein Lernziel erreicht wird, wenn seriös gearbeitet wird.
  • Anregen/Sicherstellen von Lernaktivitäten: In den Lernprogrammen wird eine enge Verbindung von schriftlicher Stoffvermittlung (Wissensaufnahme) und aktiver Verarbeitung sichergestellt.
 
Ablauf 
  1. Vorbereitende Schritte: Leitprogramm gemäß der typischen Leitprogrammstruktur ausarbeiten.
  2. Leitprogramm einführen: kurze Einführung der Studierenden ins Leitprogramm (thematische Situierung; Klärung der organisatorischen Fragen).
  3. Selbstständige Ausführung der Arbeiten: Die Studierenden bearbeiten die einzelnen Leitprogrammkapitel selbstständig; der Dozent/die Dozentin steht in dieser Phase klar im Hintergrund.
  4. Erfolgskontrollen durchführen: Überprüfung des Lernstandes nach einzelnen Kapiteln und/oder am Schluss des Leitprogrammes.
  5. Die Leitprogrammarbeit auswerten: gemeinsames Besprechen der Lernergebnisse und Lernerfahrungen; Klärung von Schwierigkeiten.
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Zeitbudget und Herstellungsgemeinschaften für die Entwicklung von Leitprogrammen: Angesichts des großen Herstellungsaufwandes und der breiten Nutzungsmöglichkeit lohnt es sich, in eine professionelle Entwicklungsarbeit zu investieren.
  • Organisation des Lehr-Lern-Mittel-Austausches: Leitprogramme sollten von mehreren Dozierenden genutzt werden können – sowohl institutionsintern als auch über die Institutionsgrenzen hinweg.
 
Rolle der Dozierenden 
  • Dozierende machen sich als individuell Prozessgestaltende weitgehend überflüssig; die Steuerung erfolgt mittelbar über das Lernmaterial.
 
Rolle der Studierenden 
  • hohe Eigenaktivität, aber wenig Selbststeuerung und Eigenverantwortung im Bereich der Prozessstrukturierung. Die Selbstbestimmung ist eingeschränkt auf die Variablen Zeitpunkt, Ort und Dauer des Lernens.
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Die persönliche Gestaltung des Lehrprozesses durch die Dozierenden tritt in den Hintergrund: Dozierende machen sich in den Leitprogrammsequenzen als Lehrende bzw. als Prozessgestaltende weitgehend überflüssig. Dies kann von Dozierenden als ein Verlust empfunden werden.
  • Anspruchsvolle und aufwendige Entwicklungsarbeit: Leitprogramme stellen professionelle Ansprüche an die Herstellung des Lernmaterials.
  • Hoher Anteil an Fremdsteuerung bleibt bestehen: Leitprogramme erzeugen durch die hohe Eigenaktivität der Studierenden den Schein des selbstständigen Lernens, in Wirklichkeit ist der Selbststeuerungsanteil bei dieser Form des Selbststudiums relativ gering.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

Ausgangs- und zentraler Bezugspunkt des Lernprozesses bilden praxisnahe Problemfälle. Diese werden in Form von wirklichkeitsnahen, möglichst kurz und prägnant formulierten Situationsschilderungen den Lernenden zu Beginn einer Lernsequenz vorgegeben und dienen als Fokus für den weiteren Verlauf des Lernprozesses.

Für die Bearbeitung der Fälle ist ein mehrschrittiges Verfahren festgelegt, das sich teilweise in der Kursgruppe (Plenum, Klasse), zum größeren Teil aber in der individuellen Auseinandersetzung mit ausgewähltem Informationsmaterial abspielt.

Ziele 
  • Erleichterung des Theorie-Praxis-Transfers: Die Erarbeitung neuer Lerninhalte geschieht mit Blick auf mögliche Anwendungssituationen. Dadurch wird der Transfer erleichtert.
  • Problemorientierung als Motivationshilfe: Durch die Konfrontation mit einer praxisnahen Schwierigkeit kann die Motivation zur Aneignung bzw. kreativen Erzeugung von neuem Wissen geschaffen werden.
  • Training von Problemlösestrategien: Das PBL-Modell zeigt, wie Probleme selbstständig angegangen und gelöst werden können, und wirkt als Training für eine allgemeine Problembearbeitungsstrategie.
 
Ablauf 
  1. Begriffe klären: gemeinsames Verständnis der Problembeschreibung sichern.
  2. Problem bestimmen: Problemdefinition zur Klärung der Suchrichtung und zur Abgrenzung: Was gehört nicht dazu?
  3. Problem analysieren: erste Hypothesen zu möglichen Problemursachen und zu möglichen Problemlösungsansätzen bilden.
  4. Erklärungen ordnen: Erklärungs- und Lösungshypothesen systematisieren.
  5. Lern- und Erkundungsfragen formulieren: Fragen für den nachfolgenden Rechercheprozess sammeln (mit Gewichtung).
  6. Informationen beschaffen: verfügbares Wissen zusammentragen (Literaturstudium, Internetrecherche, Expertengespräche usw.).
  7. Informationen austauschen und validieren: erworbenes Wissen in der Kursgruppe zusammentragen und mit den ursprünglichen Hypothesen vergleichen.
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Schulung der Dozierenden für die spezielle Rolle als Tutoren bzw. als Moderatorinnen im PBL-Prozess. Einrichtung von Arbeitsplätzen für Studierende/Studierendengruppen, in denen die selbstständige Informationsrecherche vorgenommen werden kann (unterstützt durch eine Bibliothek/Lernplattform). Größere zusammenhängende Zeitgefäße (Zeitblöcke): Eine Arbeitssequenz sollte einen halben Tag dauern.
 
Rolle der Dozierenden 
  • Die Dozierenden werden in erster Line in der Rolle der Moderation gefordert. Die Sachverständigenfunktion steht klar im Hintergrund und kann eventuell sogar an eine andere Person delegiert werden.
 
Rolle der Studierenden 
  • Bei den Studierenden steht die Individualarbeit (eventuell Gruppenarbeit) zur Wissensaneignung und -aufbereitung im Vordergrund; sie übernehmen in diesem Prozess eine eigenverantwortliche Rolle.
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Ritualisierung des Verfahrens: Die Methode kann bei häufiger Anwendung zum Ritual erstarren – mit der Folge, dass eine engagierte und interessierte Problemanalyse und -bearbeitung ausbleibt.
  • Hoher Abstraktions- und Allgemeinheitsgrad der Fälle: Problemfälle, die sich in wenigen Zeilen umreißen lassen, bleiben trotz evidentem Praxisbezug letztlich abstrakt; der Kontextbezug muss sehr vage bleiben. Die Umwandlung von abstraktem Wissen in transferfähiges praxisbezogenes Wissen kann dadurch zum unerfüllten Postulat werden.
  • Wenig Differenzierung für die Phase der Informationsaufarbeitung: Im PBL-Modell wird für die Problemanalyse eine sehr hohe Differenzierung vorgegeben, während für die Informationsaufarbeitung nur ein einziger Schritt definiert ist. Es besteht die Gefahr einer Unterstrukturierung der selbstständigen Arbeitsphase.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

Individuelle Vorhaben bieten den Studierenden die Möglichkeit, einem selbstgewählten Themenschwerpunkt nachzugehen. Im Vordergrund steht die selbstständige Aufarbeitung der Materie. Die Wahl des Themas, der Ziele und leitenden Fragen, an denen sich der Lernprozess orientiert, wird von den Studierenden selbst getroffen.

Individuelle Studienvorhaben können unterschiedliche Formen und Schwerpunkte haben: theoretische Abhandlung, gestalterische Arbeiten, Forschungsvorhaben, Erkundungsvorhaben, Praxisvorhaben.

Ziele 
  • Eigene individuelle Profilbildung: Die Studierenden können eigene Themen wählen, mit denen sie sich vertieft auseinandersetzen möchten; sie können damit ihrem Studium ein individuelles Profil verleihen.
  • Förderung von Selbst- und Methodenkompetenz: Individuelle Vorhaben bieten eine ideale Gelegenheit, um überfachliche Kompetenzen aus dem Bereich der Selbst- und Methodenkompetenz anzuwenden und weiterzuentwickeln.
  • Forschendes Lernen: Im Vordergrund steht ein forschendes Lernen, bei dem der Prozess „Aneignung von neuem Wissen“ und der Prozess „Entdecken von neuem Wissen“ sich strukturell entsprechen.
 
Ablauf 
  1. Information der Studierenden: Information über die Ziele und Rahmenvorgaben, denen die Arbeit entsprechen muss.
  2. Festlegung des Themas und Erarbeitung der Konzeptskizze: Die Studierenden suchen ein geeignetes Thema/einen möglichen Arbeitsschwerpunkt und besprechen ihre Idee mit dem zuständigen Dozierenden; anschließend Erarbeitung der Konzeptskizze.
  3. Besprechung und Genehmigung der Konzeptskizze: Besprechung zwischen Studierenden und der zuständigen (zugewiesenen) Begleitperson; Genehmigung der Konzeptskizze.
  4. Umsetzungsphase: selbstständige Arbeit am Vorhaben gemäß Konzeptskizze.
  5. Standortbestimmungen/Zwischengespräche gemäß vereinbarten Meilensteinen.
  6. Ergebnispräsentation: Vorstellen der Arbeitsergebnisse vor einem zuvor festgelegten Personenkreis.
  7. Beurteilung und Abschlussgespräch.
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Schrittweiser Aufbau der Arbeitskompetenz bei den Studierenden (nach Möglichkeit Stufung von einfachen zu komplexeren Vorhaben) .
  • Genügend Betreuungsressourcen: Insbesondere bei den ersten Vorhaben muss sichergestellt werden, dass ungeeignete Arbeitsziele und Konzepte rechtzeitig erkannt und korrigiert werden können.
 
Rolle der Dozierenden 
  • Die Begleitpersonen haben primär eine beratend-unterstützende Funktion, wobei das Ausmaß von steuernden Interventionen mit Blick auf die Fähigkeit der Studierenden sorgfältig abzuwägen ist.
  • Am Schluss der Arbeit übernimmt die Begleitperson oft auch eine beurteilende Funktion. Dieser nicht unproblematische Rollenmix verlangt einen bewussten Umgang mit diesen beiden Funktionen.
 
Rolle der Studierenden 
  • Die Studierenden tragen die Verantwortung für die Prozessgestaltung (Prozesssteuerung) in einem umfassenden Sinne, inkl. genauer Festlegung des Arbeitsschwerpunktes und der Arbeitsziele.
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Fehlende Kompetenzorientierung/Beliebigkeit des Lerngehaltes: Es werden u. U. Arbeiten gewählt, die den Studierenden aus irgendeinem Grund als interessant erscheinen, unter dem Gesichtspunkt der Kompetenzerweiterung aber zu wenig gehaltvoll sind.
  • Überforderung durch zu wenig reflektierte Themenwahl: Die Studierenden können sich dazu verleiten lassen, sich zu viel zuzumuten, sich in der Fülle von verfügbaren Informationsquellen zu verlieren und den benötigten Zeitaufwand für das Schlussprodukt zu wenig realistisch zu kalkulieren.
  • Anspruchsvolle Begleitung und Beurteilung: Es muss das richtige Maß gefunden werden, zwischen Respektieren der Entscheidungsautonomie der Studierenden und rechtzeitigem Intervenieren, um ein Scheitern der Arbeit und frustrierende Erfahrungen zu verhindern.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

Bei den Lern- und Übungsprojekten sind zwei Grundtypen zu unterscheiden.

Fallbasierte Projekte: Ausgangspunkt ist ein wirklichkeitsnaher Problemfall. Der Auftrag besteht darin, für die in der Fallbeschreibung dargelegte Problemaufgabe eine Lösung zu erarbeiten.

Gestaltungs- und Konstruktionsprojekte: Hier wird eine Aufgabe gestellt, bei der das Endprodukt vorgegeben wird. Das „Problem“ besteht darin, das genaue Endprodukt und/oder den Weg dorthin zu planen und auszuführen. Die praktische Realisierung ermöglicht Rückmeldungen zur Funktionalität der gewählten Lösung.

Ziele 
  • Bedarfsorientierte Wissensaneignung: Das Lernen wird nicht durch eine vordefinierte Fachsystematik gesteuert, sondern durch die pragmatische Logik des Arbeits- und Problemlöseprozesses: Wissen wird dort „abgerufen“, wo es benötigt wird, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
  • Teamkompetenzen durch Teamarbeit: Der Arbeitsprozess in Gruppen bietet die Chance, Kooperations-, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeiten (Fähigkeiten zur Teamarbeit) zu schulen.
  • Basisfertigkeiten im Bereich des Projektmanagements: Projekte bieten den Studierenden eine Plattform für den Erwerb von Basisfertigkeiten im Bereich des Projektmanagements.
 
Ablauf 
  1. Startveranstaltung (Kick-off): Einführung der Studierenden in die Problemstellung. Information über die Rahmenvorgaben.
  2. Arbeitsplanung in den Projektgruppen: In den einzelnen Projektgruppen wird ein detaillierter Arbeitsplan erstellt.
  3. Projektarbeit nach Plan: Aufarbeitung der Informationsgrundlagen (inkl. Informationsrecherche) und Gestaltung der Schlussproduktion (inkl. Vorbereitung der Präsentation).
  4. Projektabschluss: Abschlusspräsentation (meist vor der gesamten Modulgruppe). Bewerten von Produkt, Präsentation, Dokumentation und Prozess (Selbstbewertung und Fremdbewertung).
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Klärung der ECTS-Punkte, mit denen die Projektarbeit honoriert wird, sowie der Stunden, die den Dozierenden für die Projektbegleitung zur Verfügung stehen.
  • Systematischer Aufbau der Projektfähigkeit der Studierenden (z. B. durch bewusste Stufung der Komplexität der Projekte im Verlauf eines Studienganges).
 
Rolle der Dozierenden 
  • Die Dozierenden übernehmen eine indirekte Prozesssteuerung durch das Setzen von Rahmenvorgaben. Klare Vorgaben sind Voraussetzung für die Minimierung des Interventionsbedarfs während des Prozesses.
  • Controllingfunktion, Beratungsfunktion und Funktion als critical friend wechseln sich ab. Am Schluss des Projektes gehört meist auch die Beurteilungsfunktion dazu, mit den bekannten Konflikten zwischen den beiden Rollen der Beratung und der Beurteilung.
 
Rolle der Studierenden 
  • Die Studierenden übernehmen die Verantwortung für die Prozessgestaltung innerhalb der definierten Rahmenvorgaben (inkl. selbstständiger Suche/Beschaffung der Informationsgrundlagen).
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Zu frühe oder zu späte Intervention der Dozierenden: Der richtige Zeitpunkt und das richtige Ausmaß der Interventionen ist anspruchsvoll.
  • Planungs- und Motivationskonflikte bei mehreren parallel laufenden Projekten: Zu viele Projekte, die parallel laufen, können die Studierenden überfordern und übermäßig belasten.
  • Fehlende Prägnanz und Transparenz der Vorgaben und Verbindlichkeiten: Thema, Aufgabe, Lernziele und Kriterien müssen zu Beginn des Projektes klar formuliert werden, damit für die Studierenden eine verlässliche Orientierungsbasis entsteht.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

Echtprojekte sind Problemlösungsaufträge, die für eine Kundschaft ausgeführt werden. Es gibt eine auftraggebende Person oder Institution, die für ein reales Problem aus der Praxis eine Lösung sucht. Dieser Aspekt prägt den Projektverlauf wie folgt:

  1. Die Lernenden müssen zuerst verstehen und herausfinden, welches das wirkliche Anliegen der Kundschaft ist.
  2. Die Analysen und Lösungsvorschläge müssen gegenüber der Kundschaft nachvollziehbar präsentiert werden.
  3. Das Projekt erhält Ernstcharakter mit „Life-Feedback“.
Ziele 
  • Projektmanagement als Lernfeld: Echtprojekte sind exzellente Möglichkeiten, um Projektmanagementkompetenzen zu erwerben.
  • Kundenfeedback als nachhaltig wirksames Instrument des Lernens: Kundenfeedback ist glaubwürdig, weil es aus der Praxis und nicht aus dem pädagogischen Kontext kommt; es kann wesentlich lernwirksamer sein als entsprechende Hinweise von Seiten der Dozierenden.
  • Hoher Motivationsgehalt der Echtsituation: Die Studierenden erleben sich als Herstellende von Problemlösungen, die für die Praxis nützlich sind und von den auftraggebenden Personen geschätzt werden.
 
Ablauf Vorbereitender Schritt: Projekt-Akquisition – Suche nach geeigneten Projektaufträgen von externer Kundschaft.
  1. Bildung von Projektgruppen: Ausschreiben der Projektthemen in der Kursgruppe. Die Lernenden melden ihr Interesse für eine Projektarbeit oder – nach Priorität geordnet – für mehrere an.
  2. Aufgabenstellung und Zielvereinbarung: Konkretisierung der Aufgabenstellung in Zusammenarbeit mit der Kundschaft.
  3. Erarbeitung des Projektplanes: Projektplanung auf mehreren Prozessebenen (Sach-, Dokumentations-, Management-, Beziehungs-, Reflexionsebene).
  4. Arbeiten am Projekt: Arbeit in den verschiedenen Projektteams gemäß Projektplan.
  5. Bilanzierung von Projektabschnitten (Reviews): Das Projektteam stellt den Stand der Arbeiten dem sog. Reviewteam vor.
  6. Abschluss der Projektarbeit/Ergebnispräsentation: „Produkte“ und erreichte „Ergebnisse“ werden vorgestellt.
  7. Evaluation des Arbeitsprozesses: Die Evaluation erfolgt entlang von Kriterien, die schon am Anfang des Projektes vereinbart wurden.
 
Institutionelle Voraussetzungen 
  • Das Finden geeigneter Projektaufgaben mit externer Kundschaft muss professionell angegangen werden. Es empfiehlt sich eine zentrale Stelle, welche die Projekte für die unterschiedlichen Studiengänge gemeinsam akquiriert.
 
Rolle der Dozierenden 
  • Dozierende sind einerseits Prozessbegleitende, andererseits Fachpersonen bei der Erarbeitung kundenorientierter Lösungen.
 
Rolle der Studierenden 
  • Die Studierenden nehmen während der Projektarbeit wechselnde Rollen ein, gemäß der Systematik des Projektmanagements (Prozessführung, Protokollführung, Beobachtende von Gruppenprozessen).
  • Studierende sind Lernende und gleichzeitig Mitarbeitende in einem kundenorientierten Projekt; der Wissenserwerb/Kompetenzaufbau geschieht begleitend bei der Lösung des Kundenproblems.
 
Gefahren / Stolpersteine 
  • Zu hohe Identifikation der begleitenden Dozierenden mit dem Projekt: Die Dozierenden können sich dazu verleiten lassen, selbst zu viel Einfluss zu nehmen auf den Lösungsweg und die Reflexion zu vernachlässigen.
  • Schwierigkeiten im Reviewprozess: Die Gestaltung von lernförderlichen Projektreviews erweist sich als anspruchsvoll – sowohl für die Studierenden als auch für das Reviewteam.
  • Ungünstige Einflussnahmen der Kundschaft auf den Projektprozess: Die Kundschaft kann das Lernergebnis negativ beeinflussen, wenn sie vorwiegend ergebnisorientiert ist und wenig Verständnis für den Lernprozess mitbringt.
 

(Landwehr & Müller, 2008)

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