Ableitungen aus den Evaluationsergebnissen

1.2. Wie schätzen Sie das Anforderungsniveau der Lehrveranstaltung ein? Unterforderung

Glückwunsch: Sie haben ein Luxusproblem. Ihre Studierenden fühlen sich unterfordert. Diese Rückmeldung kommt wahrscheinlich im Hochschulkontext nicht allzu häufig vor. Der Neid des Kollegenkreises ist Ihnen sicher. Denn nun stehen Sie vor der Wahl: mehr Breite, mehr Tiefe, mehr Anwendung oder doch mehr fachübergreifende Kompetenzen?

mögliche Ansätze zur Erhöhung der Anforderungen

Prüfen Sie, ob in der Modulbeschreibung sämtliche Inhalte durch Ihre Lehrveranstaltung bereits abgedeckt werden. Sollte dies der Fall sein, lohnt sich ein Austausch im Kollegenkreis, welches Vorwissen für die anschließenden Module benötigt wird und vielleicht bisher nicht im ausreichenden Umfang vorhanden war. Zu guter Letzt können auch Exkurse in angrenzende Fachgebiete das Verständnis der Studierenden für ihren Studiengang verbessern.

Sollten Sie mit Ihrer Lehrveranstaltung bereits sämtliche Inhalte der Modulbeschreibung abdecken, können Sie nun die Tiefen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung vordringen, indem Sie beispielsweise wissenschaftliche Originalartikel in die Lehre einbinden.

Gliedern Sie Ihren Stoff nach zentralen, relevanten Grundlagen einerseits und randständigen, schwierigen Spezialthemen anderseits. Erklären Sie den Studierenden Ihre Unterteilung. Sie können sogar die Prüfung derart gestalten, dass die Grundlagen zum Bestehen ausreichen, für die Note 1 allerdings auch Spezialthemen beherrscht werden müssen. Verdeutlichen Sie die Unterteilung auf Ihren Folien oder in dem Skript.

Die Anwendung von Wissen ist die Kernkompetenz der Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Suchen die daher nach Anwendungsfeldern für das vermittelte Wissen. Bei der Gelegenheit können Sie die Deduktion als eine Möglichkeit wissenschaftlichen Arbeitens den Studierenden vergegenwärtigen (Ableitung spezieller Fälle aus einer allgemeinen Theorie).

So könnten Sie mit der Vorstellung eines Problems aus der Praxis beginnen und durch einen Vortrag systematischen Wissens dazu erarbeiten lassen. Danach sollen die Studierenden das Praxisproblem bearbeiten (in der Veranstaltung oder zu Hause, in Einzelarbeit oder Gruppenarbeit), die Lösungen anschließend in der Veranstaltung zusammentragen, diskutieren und schließlich eine oder mehrere Lösungen vorstellen.

Hochschullehrer sind in erster Linie Spezialisten in einem Fachgebiet und besitzen damit die Grundlagen zur Förderung fachlicher Kompetenzen bei den Studierenden. Diese benötigen in der gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitswelt einer wissensbasierten Wirtschaft jedoch auch Kompetenzen, die über Fachlichkeit hinausgehen. Nicht erst seit der Bologna-Reform stehen Hochschullehrer vor der Herausforderung, diese Schlüsselqualifikationen in ihre Lehre zu integrieren. Dabei müssen Sie kein Sozialpädagoge sein, um Sozial- und Selbstkompetenz fördern zu können. Sie müssen auch keine historische oder disziplinspezifische Diskussion zum Kompetenzbegriff führen können. Einen guten Einstieg und Überblick bietet Ihnen bereits der KOMPETENZKATALOG.

„Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, bevor ich nicht die Antwort des anderen darauf gehört habe.“ (Norbert Wiener)

Wenn Sie die Unterrichtsgeschwindigkeit der Verarbeitungs- und Lerngeschwindigkeit der Studierenden anpassen wollen, benötigen Sie Feedbacks zu deren Lernfortschritten. Sie müssen Lernen „sichtbar machen“ (Hattie, 2009). Informieren Sie sich mittels Kurzprüfungen (drei Fragen in 5 Minuten) während des Semesters über das, was die Studierenden verstanden haben. Oder lassen Sie sich in einem „one-minute-paper“ von den Studierenden in der letzten Minute der Lehrveranstaltung aufschreiben, was interessant war und was (noch) nicht verstanden wurde. Geben Sie Rückmeldungen zu den Ergebnissen der Befragung und greifen Sie noch nicht Gelerntes erneut auf. Eine weitere Möglichkeit, Lernfortschritte sichtbar zu machen, ist die „Classroom Assessment Techniques“.

Dabei stehen Hochschullehrer stets vor der Herausforderung, eine Balance zwischen müheloser Verständlichkeit und Förderung eines akademischen und fachspezifischen Sprachgebrauchs. Wird in den Rückmeldungen der Studierenden der Bereich Verständlichkeit kritisiert, prüfen Sie, inwieweit Sie Einfachheit (kurze Sätze, Erklärung von Fachbegriffen und Fremdwörtern) als „Verständlichmacher“ (Schulz von Thun, 1981) einsetzen können.

Vermeiden Sie darüber hinaus „abtötende Weitschweifigkeit“ (Schulz von Thun, 1981), welche in der offenen Rede häufiger auftritt als in Texten. Mehrdeutigkeiten („Wie viele beruflich Qualifizierte vertragen die Fachhochschulen“) wirken nur, wenn Sie sich sicher sein können, dass die Zuhörenden Ihre Aussage auch in Ihrem Sinne deuten. Mit einer sprachlich präzisen Formulierung werden Missverständnisse seltener auftreten.

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