Hochschulpolitik
Hochschulpolitik ist eigentlich eine der Hauptaufgaben der Studentenräte nach § 24 SächsHSFG. Im Rahmen dieses Referates führen wir Gespräche mit der Hochschulleitung, dem Ministerium, anderen politisch aktiven Personen/Gruppen auf Landes- bzw. Bundesebene und organisieren hochschulpolitische Aktionen wie z.B. Demonstrationen oder Info-Kampagnen. Daneben halten wir Kontakt zu einer Vielzahl von studentischen Vereinigungen und entsenden aus unseren Reihen Vertreter der Studierenden in verschiedene Gremien. Die wichtigste dabei ist die KSS (Konferenz der Sächsischen Studentenräte), welche sich aus Mitgliedern aller sächsischen Hochschulen zusammensetzt.
SächsHSFG – unsere Forderungen an ein modernes Hochschulgesetz
Hochschulen sind wichtige Wissenschaftsorte und haben damit eine große Verantwortung sowie Vorbildwirkung in unserer Gesellschaft.
Um den modernen Ansprüchen an diese Bildungs- und Forschungseinrichtungen gerecht zu werden, ist ständiger Erneuerungsprozess unabdinglich. Wir freuen uns auf eine Novellierung des SächsHSFG und haben nachfolgende Erwartungen an diese Überarbeitung.
Forschung, Gesellschaft, Entwicklung:
Gerade in diesen bewegten Zeiten sollte eine Studierendenschaft Stellung zu aktuell gesellschaftlichen Themen beziehen können, sofern sie auch Studierende oder Schüler:innen betreffen.
Eine Kommunikation von Engagement der Studierenden für Bürger- und Menschenrechte, sowie für die Aufklärung zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Folgen für die Gesellschaft und unsere Umwelt, war nie so wichtig wie zu dieser Zeit. Dies muss in den Aufgaben der Studierendenschaft §24 ergänzt werden.
Eine Transparenzklausel in den § 45 Wissenschaft und Forschung einzubinden, wäre zeitgemäß. Die langfristige Profilierung der Hochschulen führt dazu, dass der Flexibilität die der Arbeitsmarkt erfordert, nicht mehr oder erst viel zu spät gefolgt werden kann. Diese Entwicklung muss gestoppt, die Beweglichkeit der akademischen Bildung hingegen mehr gefördert werden.
Das erste Aushängeschild der akademischen Einrichtungen sind ihre Professor:innen. Hier benötigen wir dringend Unterstützung von staatlicher Seite. Trotz der Freiheit für Lehre und Forschung unterliegen Hochschulen geltendem Recht und Verordnungen. Regelungen zu Arbeitsschutz, Teilhabe und Ansprüchen verschiedenster Hochschulgruppen dürfen nicht unter dem Deckmantel der Freiheit von Lehre und Forschung ausgehebelt werden. Wir fordern, dass geltende Regeln und Normen konsequent und transparent umgesetzt werden. Handeln entsprechende Stellen innerhalb der Hochschulen nicht danach, so sollten die Urheber Ihres Amtes enthoben werden können, auch wenn es bedeutet, dass einer Person die Professur entzogen werden muss. Es muss zwingend ein Instrument / eine unabhängige Einrichtung auf ministerialer Ebene gefunden / installiert werden, an welche /s sich die Studierenden oder Angehörigen der Hochschule bei dringendem Bedarf / Nichtreaktion im eigenen Haus, wenden können (Ombudsmann, Schieds- oder Clearingstelle für das Land Sachsen).
Studierendenschaft:
Die größte Mitgliedergruppe an den Hochschulen, die Studierendenschaften, sollten auch weiterhin in den demokratischen Prozessen eine wichtige Rolle spielen. Sie können viel Positives zur Entwicklung unserer Wissenschaftsorte beitragen und bringen sie vielschichtig in die Gesellschaft und Unternehmen. Um dies zu würdigen, muss die studentische Stimme gestärkt werden und die Zusammenarbeit der bestehenden Gremien innerhalb der Hochschule verbessert werden. Das Schaffen vieler neuer Gremien würde dagegen die Prozesse nur unnötig bürokratisch erschweren.
Ein Mittel dafür wäre, dass Beschlüsse in Angelegenheiten der Studienorganisation (§§ 81 Abs.4 und 88 Abs.5) nur im zwingenden Einvernehmen mit den studentischen Vertretern erfolgen. Weiterhin sollte die Fachschaft mehr Einfluss auf die Wahl der für sie wichtigsten Ansprechpartner:innen haben. Bei der Wahl zum/zur Studiendekan:in und der Studienkommissionen sollte also das Einvernehmen mit dem Fachschaftrat (statt des bisherigen Benehmens) herzustellen sein (§§ 91 Abs.1 und2).
Konferenz Sächsischer Studentenräte (KSS):
Die Konferenz Sächsischer Studentenräte kann ein starker Partner für die sächsische Landespolitik und die Hochschulen sein. Sie bildet die Vernetzung der Studierendenschaften und könnte somit Ideen, aber auch Probleme sehr gut bündeln und transportieren. Dazu müssten im sächsischen Hochschulrecht dringend Ergänzungen stattfinden, um dies für Studierende und Hochschulen gut und sicher zu ermöglichen. Die KSS erhofft sich mehr Mitspracherecht auf vielen Ebenen, auch einen beratenden Sitz in der LRK. Das halten wir nicht für zwingend notwendig, da die KSS bereits ein Beratungsrecht besitzt sowie ein Mitspracherecht zu allen Gesetzen und Rechtsverordnungen hat, die den Regelungsbereich des SächsHSFG berühren.
Wir fordern Klärung in § 28, welche Rechtsstellung die KSS besitzt und welche Aufgaben sie über eine beratende Aufgabe hinaus hat. Wir fordern ebenfalls Klärung der Rechtsaufsicht in § 28, welche nicht über die Studierendenschaften zu gewährleisten ist.
Die KSS fordert die Bereitstellung von Räumen und angemessenen Ressourcen. Räumlichkeiten für eine Archivierung sind evtl. notwendig. Weiterhin sollte der KSS durch eine der Universitäten sichere Rechen- und Servertechnik bereitgestellt werden, da auch die KSS dem Datenschutz unterliegt und Daten aus allen Hochschulen erhält. Die KSS fordert in der Novellierung des SächsHSFG außerdem Beitragshoheit. Dem stimmen wir absolut nicht zu.
Wir halten ebenfalls eine jährliche Prüfung der Haushaltsführung, der Rechtsgeschäfte, wie auch der Ordnungen, die sich die KSS gibt, durch Landesbehörden für zwingend notwendig.
Um zukünftig eine noch besser funktionierende demokratische Basis der Studierenden in Sachsen abzusichern, schlagen wir vor, die Stimmverteilung in der KSS der der LRK anzupassen. Dann hätte jede sächsische Hochschule je eine Stimme im Gremium. Durch die aktuelle Stimmverteilung aufgrund von Studierendenzahlen werden kleinere Hochschulen benachteiligt. Jede Hochschule könnte trotzdem so viele Vertreter:innen entsenden, wie benötigt werden, um die Arbeit erfolgreich zu erledigen und jede Vertretung der Studierendeschaft einer Hochschule würde mit einer Stimme abstimmen können. So würde eine demokratische Basis in Sachsen entstehen, in der die kleineren Hochschulen genauso gut vertreten sind wie die Großen.
Hochschulrat:
Genauso wie die KSS sehen wir Änderungsbedarf beim Hochschulrat. Dieser sollte eher beratend als entscheidend wirken. In § 86 sollten die Entscheidungen zu Stellungnahmen geändert werden. Die Entscheidungsgewalt sollte auf den Senat übertragen werden.
Lehrevaluationen:
Die Transparenz in der Lehre sollte besser gestaltet werden, damit ein Mitwirken und damit Verbesserung gefördert wird. Die Lehrevaluationen (§9 Abs. 2) sollten verpflichtend so veröffentlicht werden, dass zumindest die Studienkommission und der Fachschaftsrat Einblick erhalten können. Lehrevaluationen sollten erst nach Bekanntgabe der Abschlussnote des Moduls durchgeführt werden. So würden falschpositive Ergebnisse, die sich durch das Abhängigkeitsverhältnis Student - Professor ergeben, vermieden.
Gleichstellung und Inklusion:
Gleichstellung und Inklusion sind wichtige Gebiete, auf denen noch viel Arbeit zu leisten ist. Deshalb sollten die jeweiligen Beauftragten besser unterstützt werden. Hier muss eine Entlastung von der sonstigen Tätigkeit geschaffen werden, damit der oder die Beauftragte die Aufgaben erfüllen und an Weiterbildungen teilnehmen kann. Die KSS schlägt hier generell 50% Entlastung von den ursprünglichen Arbeitsaufgaben vor. Wir finden, dass dies eine Pauschalisierung ist, die nicht zwingend Erfüllung finden muss. Hier muss betrachtet werden, dass bei den Beauftragten unterschiedlich viel Aufwand anfallen kann. Eine Regelung "bis zu 50%, die gestaffelt zugesprochen werden kann," halten wir für objektiver. Sollte der oder die Beauftragte aus der Gruppe der Studierenden stammen, muss eine andere Regelung gefunden werden. Die Arbeit könnte man entweder finanziell oder durch Freisemester entlohnen.
Behinderte und chronisch kranke Studierende:
Die Aufgaben der Studentenwerke müssen auf die Bedürfnisse von chronisch kranken Studierenden erweitert werden.
Um den Nachteilsausgleich von chronisch kranken und behinderten Studierenden sicher zu stellen, ist bei der Behandlung von Anträgen ein:e Gleichstellungs- bzw. Inklusionsbeauftragte:r im Prüfungsausschuss hinzuzuziehen, der/die an den Entscheidungen mitwirken soll. Wenn man dem/der Beauftragten ein Vetorecht einräumen würde, wäre eine zusätzliche Clearingstelle, wie von der KSS gefordert, nicht zwingend notwendig.
Die regelmäßige Evaluation zum Stand der Umsetzung der UN-BRK an den Hochschulen sollte festgeschrieben werden, z.B. in §9.
Es sollte angestrebt werden, dass jede:r Studierende jeden Studiengang auch in Teilzeit studieren kann.
Krankenscheinregelung:
Eine Festlegung im sächs. Hochschulrecht, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Nachweis der Prüfungsunfähigkeit im Krankheitsfalle ausreichend ist, ist längst überfällig. Hier muss, um der Gleichbehandlung und dem modernen Datenschutz Genüge zu tun, zwingend und sofort eine gesetzliche Regelung erfolgen.
Aktuell ist es an vielen Hochschulen nicht zulässig, von einer Prüfung mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entschuldigt zurückzutreten. Die Begründung, dass eine Einzelperson dies eventuell ausnützen könnte oder dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht gleich eine Prüfungsunfähigkeit darstellt, entspricht eher einer ungerechten Kollektivhaftung. Bisher ist dies nicht landesweit geregelt, was dazu führt, dass an manchen Hochschulen sogar innerhalb einer Fakultät unterschiedlich gehandelt wird. Dies verstößt gegen die Gleichbehandlung und führt zu weiteren Rechtsunsicherheiten.
Die meisten Hochschulen in Sachsen fordern im Krankheitsfall bei Prüfungen das Ausfüllen eines Formblattes durch die behandelnden Ärzt:innen. Hier sollen Diagnosen und Behandlung inklusive Medikationen aufgeführt werden. Zum einen handelt es sich hierbei um eine Leistung, die die Krankenkassen nicht abdecken und die von den Studierenden ausgeglichen werden muss. Zum anderen wird die medizinische Schweigepflicht ausgesetzt. Die Persönlichkeitsrechte der Studierenden werden verletzt, weil diese empfindlichen Gesundheitsdaten dem Prüfungsausschuss offenzulegen sind. Der Prüfungsausschuss ist zwar schweigeverpflichtet, trotzdem sind in diesem Gremium alle Mitgliedergruppen der Hochschule vertreten, sowohl Professor:innen, Mitarbeiter:innen wie auch Kommiliton:innen. In der Regel ist aber keine Person in diesem Ausschuss vertreten, die das nötige Wissen hat, um darüber zu befinden, ob die Studierenden aus Gesundheitssicht prüfungstauglich sind. Diese Vertreter:innen verfügen in der Regel nicht über die nötige Expertise, um die ihnen vorliegenden Gesundheitsdaten medizinisch aus- bzw. zu bewerten oder zu interpretieren.
Sie treffen aber auf der Grundlage dieser Daten für die Studierenden schwerwiegende Entscheidungen. Hier wird Grundrecht verletzt, dass man schon fragen muss, warum dies nicht längst im Gesetz geregelt ist.
Für Einzelfälle, in denen der begründete Verdacht besteht, dass Studierende regelmäßig ohne Krankheit aber mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Prüfung fernbleiben, kann ein Prüfungsausschuss eine amtsärztliche Begutachtung einfordern. Auch dies kann eventuell gesetzlich geregelt werden. Eine Kollektivhaftung, wie sie momentan besteht, sollte in einem modernen Bildungsgesetz nicht mehr vorkommen.
Bestehende Urteile hierzu, nach deren Leitbild derzeit verfahren wird, sind veraltet und nicht nach aktuellen Datenschutzrichtlinien gefällt worden.
Studienorganisation und Prüfungen:
Es sollte eine Festlegung geschaffen werden, Änderungen oder Aufhebungen eines Studienganges (§32 Abs. 4) nur zuzulassen, wenn gewährleistet ist, dass immatrikulierte Studierende in der Regelstudienzeit plus 4 Semester diesen Studiengang abschließen können.
Es muss eine Maximalfrist für die Bekanntgabe der Prüfungsnoten festgeschrieben werden, diese sollte nur mit besonderer Begründung überschritten werden dürfen. Für Studierende ist vom zeitnahen Erhalt ihrer Noten oft die Finanzierung ihres Studiums abhängig, aber auch Zusagen für Praktika, Bachelor- oder Diplomarbeiten oder gar die Neuanmeldung zu einer Wiederholungsprüfung können an nicht oder zu spät eingetragenen Noten scheitern.
Tutorien sind an allen Hochschulen für die Studierenden essenziell. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass diese auch weiterhin durch die Hochschulen finanziert werden.
Eine Prävention gegenüber zu hoher Prüfungslast sollte angestrebt werden, durch Ergänzung in § 36 Abs. 3. Es sollte eine in der Regel einzuhaltende Zeitspanne zwischen zwei Prüfungen liegen. Bei der Berufung von Professor:innen sollte dringend mehr Wert auf didaktische Fähigkeiten gelegt werden, so wäre in § 58 Abs. 1 Punkt 2 eine Nachweisführung einzufügen.
Das Promotionsrecht für Teile der Fachhochschulen, die die erforderliche Voraussetzung für eine Promotion haben, ist überfällig. Dies ließe sich durch die Anpassung des § 40 Abs. 1 regeln.
Umwelt- und Gesundheitsmanagement:
Die KSS fordert weiterhin die Einführung eines/einer Umweltbeauftragten und eines/einer Beauftragten für Gesundheitsmanagement mit gleichem Aufwand wie in der Gleichstellung. Auch wir sehen die Hochschulen hier stärker in der Pflicht. Die Schaffung weiterer Wahlämter lehnen wir aber ab. Stattdessen könnten diese Beauftragten ernannt werden, wie es teilweise bereits gehandhabt wird.
Wir hoffen, dass allen Beteiligten in den Entscheidungsprozessen bewusst ist, dass Hochschulen ohne Studierende nicht existieren können. Das Land Sachsen ist ein Knotenpunkt von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung. Dies wird nur MIT den jungen agilen wissbegierigen Menschen so bleiben.
Lassen Sie uns gemeinsam eine moderne Zukunft mit gerechter Bildungspolitik gestalten.
Die Studierenden der Westsächsischen Hochschule Zwickau
Mai, 2021